Schloß Friedensburg, Leutenberg -die Anreise

Die 6 Wochen bis zu unserer Anreise in Leutenberg zogen sich gefühlt in die Ewigkeit.
Der Gedanke mindestens 4 Wochen von unserer Familie und Freunden, insbesondere von meinem Mann getrennt zu sein, nagte sehr an mir.
Im Mai 2015 waren mein Mann und ich durch die vorangegangenen 5 Monate psychisch und physisch sehr angeschlagen und wir legten all' unsere Hoffnung in den Aufenthalt auf der Friedensburg in Leutenberg.

Es gab keinen Plan B, es musste jetzt einfach der richtige Weg kommen und wir wollten Benedikt vom Kortison und Elidel endlich befreien.
Bis eine Woche vor unserer Anreise cremten wir unseren Sohn nach nach den Vorgaben von Prof. Dr. Höger ein. Wir waren in der Zeit auf uns alleine gestellt und hätten ohne Hilfe keine andere Alternative gewusst.

Auch wenn wir gegen diese fraglichen medizinischen Salben sind, so möchte ich doch deutlich sagen, dass wir zu keinem Zeitpunkt unseren Sohn leiden lassen würden.
Die Gesundheit von Kindern, insbesondere der Kleinsten, die sich noch nicht mitteilen können, ist kein Experiment oder Testobjekt in meinen Augen. Und wir wussten (Anmerkung: nein ehrlich gesagt wussten wir es damals nicht, wir wissen es heute, damals hatten wir einfach Angst die Salben ohne Unterstützung eines Arztes abzusetzen), dass unser Sohn ohne die Salben oder eine alternative Therapie (die wir noch nicht kannten) leiden und Schmerzen haben würde.

1 Woche vor unserer Anreise wurden wir von Leutenberg angewiesen sämtliche medizinische Salben abzusetzen, damit das Immunsystem wieder atmen konnte und der ganze "Mist" raus kam.




Wir begannen 10 Tage vorher mit dem Ausschleichen des Kortisons am Körper und 5 Tage vorher mit dem Absetzen von Elidel im Gesicht.
Das Ausschleichen des Kortisons erschien erst gar nicht so schlimm.
Benedikts Haut kämpfte ordentlich und es kamen natürlich die üblichen Stellen alle wieder, aber langsam und auch nicht gleich so aggressiv, wie wir es vorher erlebt hatten.

Einen wahren Schockmoment bescherte uns jedoch das Absetzen von Elidel, wobei wir uns eigentlich nicht mal Sorgen im Vorfelde gemacht hatten, da es doch "nur pflanzlich sei".
Nach nicht mal 24h ohne Elidel explodierte das Ekzem förmlich im Gesicht unseres Sohnes und uns packte die absolute Panik.
Was ist das für eine pflanzliche Salbe, die eine solche Wirkung hatte? Hier wurde zu keinem Zeitpunkt etwas geheilt, sondern im Gegenteil permanent unterdrückt, wie beim Kortison. Noch hinzu kam die Unterdrückung des Immunsystems, was den kleinen Körper zusätzlich belastet hatte. Durch das Absetzen schoß das Immunsystem von 0 auf 100 und wehrte sich nun mit aller kraft gegen alles, was es vorher nicht bekämpfen konnte.



Benedikts Haut sah überall aufgequollen aus und wir behandelten ihn bis zur Abfahrt mit Schwarzteewickeln und Eosin (Anm.: roter Farbstoff, der nässende Stellen austrocknet)

Am 14. Juni 2015 machten wir uns mit Sack und Pack auf den Weg nach Leutenberg in Thüringen.
Wir legten Benedikts Babyschale mit Mulltüchern aus, damit es für ihn erträglicher war und seine Haut während der Fahrt nicht in Berührung mit dem Stoff des Sitzes kam, was für ihn damals unangenehm war. Es war sehr warm und wir hatten extra das Auto von Benedikts Großeltern bekommen, da wir zu dem Zeitpunkt noch ein kleines Auto, in dem es auf langer Strecke für unseren Sohn nicht komfortabel genug war.

Wir fuhren ca. 6h mit 2 kleinen Pausen. Von Hamburg waren es knappe 500km. 
Gefühlt fuhren wir ans Ende der Welt, denn nach jedem kleinen Dorf kam noch ein kleineres Dorf und wir konnten uns nicht mehr vorstellen, dass es hier irgendwo eine Spezialklinik geben sollte.

In Leutenberg angekommen fuhren wir durch ein paar kleine Straßen und erblickten endlich unser Ziel. Oben auf einem Berg ragte aus dem Wald die große Friedensburg, die ich von den Fotos her kannte. Wir fuhren die kurvenreiche Strecke hoch auf den Berg, an dessen Ende dann das Burgtor aufragte.

Die Straße hoch zur Burg war schon abenteuerlich, aber ab dem Burgtor begann dann erst das Abenteuer.

Quelle: wikipedia.org/wiki/Schloss_Friedensburg


Das Schloß Friedensburg stammt aus dem 16 Jh. und wurde schon mehrfach wieder aufgebaut. Die letzte umfassende Sanierung der Burg erfolgte 1991-1993 und dient seitdem als Fachkrankenhaus für Dermatologie. (Quelle: Wikipedia.org)

Ich glaube jeder der die Burg als erstes sieht ist erst absolut beeindruckt von der äußeren Erscheinung, um dann beim Betreten der Räumlichkeiten unfassbar geschockt zu sein. 
Wer hier ein modernes, komfortables Krankenhaus erwartet, ist definitiv falsch aufgehoben.Den Bedingungen der Burg wurden die Räumlichkeiten zwar bestmöglich angepasst, doch war alles einfach sehr in die Jahre gekommen und die gesamte Burg war extrem verwinkelt und bestand hauptsächlich aus Treppen, so dass ich Angst hatte mich hier jemals zurecht zu finden.

Quelle: http://www.schlossfriedensburg.de/


Der einzige Lichtblick nach der ersten Besichtigung war die Zuteilung der Zimmer, denn hier hatten zum Glück die Elternteile mit Kindern jeder sein eigenes Zimmerund in diesem fühlte ich mich auf anhieb wohl.

Quelle: http://www.schlossfriedensburg.de/


Auch hier war alles sehr spartanisch, aber es war sauber und ordentlich und man hatte alles was man für diese zeit brauchte.  (Anmerkung: Die Bilder des Schlosses und der Zimmer habe ich nur von andere Stelle ausgewählt, da ich keine adäquaten damals gemacht habe.)

Benedikt hatte das letzte Stück der Fahrt zum Glück entspannt geschlafen und war gut gelaunt und war gut gelaunt als wir unsere Bleibe für die nächsten Wochen anschauten.

 Nach der Besichtigung kamen wir direkt zur Aufnahme und lernten die Chefärztin Frau Dr. Herold kennen, die für unseren künftigen Weg eine maßgebliche Rolle spielen sollte.
Frau Dr. Herold war eine absolut geradlinige, herzliche Ärztin, der man die Leidenschaft für ihren Beruf sofort ansah. Sie untersuchte Benedikt zügig, aber sehr detailliert und sagte uns direkt, dass Benedikt zu den schweren Fällen gehörte, aber wir uns keine Sorgen machen bräuchten, da sie schon wesentlich schlimmere Typen des atopischen Ekzems hier ind en Griff bekommen hätten.  
Nach dieser Bestandsaufnahme wurde uns die erste Phase der Therapie vorgestellt., die sich bei unserem Sohn hauptsächlich auf das regelmäßige cremen mit einer Zinksalbe (Pasta Zinki Mol.; Rezeptur aus der Apotheke Leutenberg) beschränkte.



Ziel war es Benedikt 3-4x am tag mit der Creme dick einzucremen, dass sich sein Anzug mit der Salbe so durchtränkte, dass er eine permanent kühlende und entzündungshemmende Ummantelung seiner Haut hatte. 
Schon während des Salbens entspannte sich Benedikt sichtlich und schaute gespannt zu, was wir da machten.

Bis zu dem Zeitpunkt wir wir zu seinem Gesicht kamen:
Auf diesen Moment waren wir nicht vorbereitet. Bei der Besichtigung der Burg hatte ich schon Bilder von kleinen Babys gesehen, die so behandelt wurden und verspürte da schon ein Unbehagen, hatte aber zu keinem Zeitpunkt darüber nachgedacht, dass es so bei Benedikt evtl. Auch gehandhabt werden würde.
Aber natürlich musste gerade das Gesicht auch gecremt werden und kleine Babys lassen die Creme nicht einfach im Gesicht; sie wischen mit ihren kleinen Händen drüber oder reiben mit ihrem Köpfchen so lange an einem, bis die Creme wieder ab ist.

Natürlich ist die einzige logische Lösung dort auch einen Verband anzulegen.
Aber dies nun tatsächlich bei unserem eigenen kleinen Schatz zu sehen riss uns den Boden unter den Füßen weg.
Die Schwester legte wirklich ganz vorsichtig die Maske über Benedikts Gesicht und umwickelte seinen Kopf.
Doch in diesem Moment packte unserem, wirklich trotzallem immer entspannten, Schatz die Panik und er fing an zu weinen und sich zu wehren.
Wir zitterten am ganzen Leib und nicht nur Benedikt, sondern auch wir wurden von der Schwester und der Ärztin beruhigt. Wir sollten ihnen vertrauen und benedikt würde sich schnell daran gewöhnen und es wäre die schnellstmögliche und behutsamste Therapie bei Babys.



Wir waren hergekommen und wir wollten eine Alternative und hier war sie nun...
...keiner hatte behauptet, dass es eine leichte werden würde, aber wieder einmal stellten wir  alle unsere Entscheidungen in Frage.

Wir nahmen unser kleines Schloßgespenst (so wurden die kleinen eingepackten Babys hier liebevoll genannt) und gingen auf unser Zimmer. Wir wollten einfach nur noch zu dritt sein unter uns sein, denn das war das Einzige was uns gerade noch Kraft gab. unser kleiner Kreis, unsere kleine Familie mit unendlich viel Liebe füreinander und dem eisernen Willen, dass wir das gemeinsam schaffen werden.



1 Nacht würde Björn bleiben, dann musste er zurück nach Hause und arbeiten. Eine Nacht, dann waren unser kleiner Kämpfer und ichzunächst auf uns alleine gestellt und mit uns viele, viele andere betroffene Mütter und Väter mit ihren Kindern, die hier ihrer Hoffnung nachgaben, dass unseren kleinen Engeln hier endlich nachhaltig geholfen werden würde.




Seid bitte nicht verschreckt von den Anfängen meines Berichtes über Leutenberg. Ich möchte hier einfach unsere echten Empfindungen und Erfahrungen aufzeigen und letztlich Mut machen, dass ein schwerer Weg, zum Glück oft auch mit Erfolg gekrönt wird. Die Ankunft in Leutenberg war sehr hart und die Zeit dort, war für mich eine   meiner schwersten Herausforderungen, aber ich würde ohne zu zögern jederzeit wieder dorthin fahren, wenn es sein müsste! Mir ist es wichtig ein realistisches Bild dieser Klinik wiederzugeben, denn viele Kritiken werden meines Erachtens dieser Einrichtung nicht gerecht, da manche in meinen Augen vergessen haben worum es dort im Kern geht. Wer sich einen Kururlaub o.ä. erhofft, der wird von Leutenberg bitter enttäuscht sein, aber alle die echte Hilfe brauchen sind meines Erachtens dort genau richtig.

Herzlichst 
Eure Tina

Kommentare

  1. Liebe Tina,

    vielen Dank für deinen Blog, der sicherlich viele Eltern mit von Neurodermitis betroffenen Säuglingen und Kindern (zumindest psychisch) helfen wird.

    Leider wurde auch bei unserem Sohn eine Neurodermitis diagnostiziert. Seitdem sind wir wie auch du relativ ernüchtert von unserem Gesundheitssystem.
    Teilweise Ärzte, die sich nicht gut auskennen, Probleme an einen Termin zu kommen, Bevorzugung von Privatpatienten, es wird nicht die bestmögliche (Note 1), sondern aus wirtschaftlichen Gründen eine ausreichende (Note 4) Therapie gewählt, etc.

    Und als allererstes immer erst einmal Kortison drauf, obwohl es viele Mittel gibt, die sogar in den Leitlinien für Neurodermities-Behandlung genannt werden und potentiell helfen könnten (Zink, Spezialkleidung, ...).

    Wir haben auch von den Spezialkliniken im Schloß Friendensburg bzw. Neukirchen gehört und freuen uns auf deinen nächsten Blog-Eintrag.


    Vielen Dank noch einmal und viele Grüße an Ben, dich und Björn.

    Ein weiteres betroffenes Elternpaar


    PS: Uns ist gerade aufgefallen, dass deine Blog-Einträge von Ereignissen berichten, die schon länger zurückliegen. Haben bei euch denn Kortison-Alternativen geholfen und dürfen wir dich evtl. diesbezüglich kontaktieren (jasonmeier24 bei gmail)? Wir sind nämlich auch gerade an dem Punkt, wo wir uns fragen, ob wir in diese Kortison/Elidel-Spirale einsteigen sollen/müssen, weil uns einfach jeder Arzt immer das gleiche verschreibt.

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    1. Lieber Jason, meine Antwort steht leider als Kommentar weiter unten. Vlt magst du da einmal schauen :)
      Ganz liebe Grüße Tina

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  2. Lieber Jason,

    Ich freue mich sehr über euren Kommentar und dass ich euch damit erreichen konnte!!

    Es ist wirklich dramatisch wie sich unser Gesundheitssytem in Bezug auf "chronische" Krankheiten aufstellt. Und wir haben die ersten 6 Monate wirklich extrem gelitten. Seit Leutenberg ist Gott sei dank sehr viel Positives passiert und wir konnten einen Weg einschlagen, der weit weg von Kortison und Elidel ist!
    Ben ist seitdem komplett frei von medizinischen Produkten.
    Du hast vollkommen recht, dass meine Blogeinträge nicht sehr regelmäßig waren. Jedoch ist dies nur dem Faktor Zeit geschuldet, dass ich es einfach nicht geschafft habe mich intensiver darum zu bemühen.
    Ich habe aber nun sowohl zeitlich, als auch strukturell für meinen Blog einen Weg gefunden Hautrebell auszubauen, so dass ihr in den nächsten Wochen hoffentlich relativ schnell unseren Weg weiterlesen könnt.
    Es gibt diesen Weg ohne Kortison und Elidel und gerne kann ich euch auch direkt einige Tipps geben, da ihr wie du schreibst genau jetzt Unterstützung benötigt.
    Schreib mir gerne bei Facebook auf meiner Hautrebell Seite eine Nachricht, dann können wir direkt schreiben, wenn es euch weiterhilft.
    Ich möchte euch von Herzen motivieren, euren Weg weiter zu gehen!
    Ben ist seit einem halben Jahr so gut wie Erscheinungsfrei und das ohne all die propagierten angeblich notwendigen Salben für Neurodermitiker! Man braucht Ausdauer, Disziplin und das Wissen über diese Hypersensibilität bei unseren Kindern, dann kann jeder die Auslöser bei seinem
    Kind finden und in seine Schranken weisen.

    Ich freue mich von euch zu hören und sende euch ganz viel Kraft für euren kleinen Schatz!

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    1. Unter hautrebell@gmail.com könnt ihr mich auch gern direkt anschreiben! :)

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  3. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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